Freitag, 22. Februar 2013

Nähirrtum Nr. 6

  1. jeder der eine Nähmaschine hat kann nähen
  2. Schnittmuster muß nicht angepaßt werden
  3. Zuschnitt braucht nicht so exakt sein, das zieht sich beim Nähen zurecht
  4. Nahtzugabe anzeichnen ist überflüssig
  5. Probeteil nähen nicht nötig
  6. welche Nähmaschine ist egal, Overlock unverzichtbar
  7. Stecknadeln oder Heften mit Nadel und Faden überflüssig, ich laß es weg, um Zeit zu sparen
  8. Stoffpreis und -qualität sind eigentlich egal
  9. ich bin zu blöd - ich kann das nicht
  10. ich brauche keinen Nähkurs
  11. Bügeln und Vorwaschen - frißt nur Zeit, das lass ich weg
  12. Nähtechniken - Reißverschluß, Knopfloch, unsichtbarer Saum sind zu schwer.
Jeder braucht eine Overlock-Maschine. Das ist Nähirrtum Nr. 6.

Argumente, die häufig gebracht werden:
"die Nähte sehen so professionell aus"
"dann hat man das Kleidungsstück schnell mal ritschratsch durchgezogen"
"die Nahtzugaben werden professionell versäubert"
"für Sportkleidung unverzichtbar"
"Praktisch"
"schnell zusammengelockt"
Tja. Ich könnte jedes Argument einzeln widerlegen, beschränke mich aber darauf: die Overlockmaschine ist eine industrielle Nähmaschine, die für industrielle Nähweise ausgelegt ist und dafür hergestellt wird. Sie kann in aller Regel nur eins: die Nahtzugabe versäubern, und evtl. ja nach Modell eine sogenannte Sicherheitsnaht legen (doppelt, mit gleichzeitiger Versäuberung und Nahtzugabenbeschneidung).
Die Haute Couture arbeitet NIE mit Overlockmaschinen.

Nur für Näherinnen, die viele Teile in kurzer Zeit herstellen wollen oder müssen, ist die Overlock unverzichtbar. Eine Hobbyschneiderin braucht in der Regel keine Overlock. ;-)
Bitte beachten! Die Nähte einer Overlock sehen nicht professionell aus, sondern industriell.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen einer professionellen Schneidernaht und einer industriellen Overlocknaht.
Das schnell durchgezogene Kleidungsstück: ein Trugschluß für so manche Hobbyschneiderin. Pech nur, wenn beim schnellen Ritschratsch was schief geht und man den kostbaren Stoff leider nur noch wegwerfen kann. Eine normale Geradstichnaht läßt sich leicht wieder auftrennen, aber habt ihr das schon mal bei einer drei-, vier-, fünffädigen Overlocknaht versucht? Wenn zusätzlich auch noch die Nahtzugabe beschnitten wurde? Ich lese in den Kreativ- und Nähblogs so oft, daß ein Teil für die Tonne produziert wurde, weil man mal eben was schnell zusammengelockt hatte.

Fazit für mich: eine Hobbyschneiderin braucht keine Overlock. Das Argument der professionell aussehenden Nähte ist lächerlich. Besser sorgfältig nähen und altbewährte Nähtechniken einsetzen, um Nähte zu setzen.

Kappnaht: rechts auf rechts zusammennähen, eine Nahtzugabe auf 5 mm zurückschneiden, die andere Nahtzugabe darüberfalten und feststeppen (in Jeans oft zu finden, innere Beinnaht). Zur Verstärkung von stark beanspruchten Nähten.
französische Naht: links auf links zusammennähen, 5 mm vom Stoffrand entfernt. Umwenden, rechts auf rechts zusammenstecken, die Nahtzugabe liegt nun innen, zusammensteppen. Gegebenenfalls noch von rechts 5mm breit absteppen. Hervorragend für Wäsche und Oberbekleidung geeignet, keine ausfransende Nahtzugabe mehr!
Nähte covern ohne Overlock: mit einem Schrägstreifen abdecken und absteppen (in Jeans und Taschen gesehen)
Kleidungsstücke mit einem Vollfutter versehen: auf ein Versäubern der Nahtzugaben kann somit verzichtet werden.

Viel Vergnügen beim Nähen, und viele Grüße - Sathiya


Ein paar private Informationen:
Ich habe eine gute Nähmaschine (Modell von Pfaff). Sie ist semiprofessionell mit über 90 Stichen, aber - ehrlich gesagt - benutze ich davon regelmäßig höchstens 5 verschiedene, inklusive Knopflochautomatik. Was viel wichtiger ist: daß frau mit der Machine zurechtkommt und daß die Maschine leise, zuverlässig, sauber und gerade näht. Ein guter fester Geradstich mit einstellbarer Stichlänge, verstärkter Geradstich, Zickzackstich, Stretchstich, Knopflochstich. Mehr Sticharten braucht es nicht, der Rest ist Spielerei und Ziererei.
Eine Overlockmaschine habe ich nicht, aus den genannten Gründen. Wer gut nähen kann, braucht für den Hausgebrauch einfach keine. Es ist auch eine Frage des Materialeinsatzes. Eine Overlockmaschine braucht immer drei bis fünf Garnrollen auf einmal, für eine einzige Naht wird drei- bis fünfmal soviel Garn benötigt wie für dieselbe Naht mit einem Geradstich - und das ist mir zuviel. Jersey usw. nähe ich mit dem integrierten Stretch-Stich oder mit schmalem Zickzack-Stich. Funktioniert hervorragend.
Wer allerdings schnell nähen will oder muß (weil er/sie industriell Kleidung oder Accessoires herstellt), dann ist eine Overlock natürlich eine gute Wahl.

Ein kleiner Exkurs in die Geschichte des Nähens: http://www.familia-ministerialis.de/naehte.html

6 Kommentare:

  1. dem stimme ich eingeschränkt zu:-)
    vor paar jahren dachte ich das auch, genau aus diesen gründen, die du genannt hast.aber..ich musste feststellen, dass die nähte auf dem jersey mit der nähmaschine deutlich statischer sind,als wenn ich sie mit overlock nähen würde.
    dabei ist auch-je dünner jersey desto schlimmer wirds.
    daher.. wenn man viel mit jersey arbeiten wird/will, halte ich overlock für sinnvoller..
    und noch was.
    in haute couture(als geschützer begriff) arbeitet man auch nicht mit nähmaschinen;-)
    in pret-a-porte schon.

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    1. Ich nähe ebenfalls viel Jersey und brauche keine Overlock. Nur feines Garn und eine dünne Jersey-Nadel. Auch bei Jersey hat sich die französische Naht bewährt, Unterwäsche nähe ich generell mit solchen Nähten. (da ich empfindlich auf die innenliegenden kratzigen versäuberten Nahtzugaben bin)

      Ich habe schon mit overlocks gearbeitet, stelle aber für mich fest, daß die Maschine das Können nicht zu ersetzen vermag. Und wer nähen kann, braucht keine Maschine, von deren "professionellaussehenden Nähten" man sich begeistern läßt. Na, jeder wie er will.

      Natürlich, Haute Couture wird ausschließlich von Hand genäht. Ich habe mit diesem Satz im Post eigentlich eher saubere Handwerksarbeit gemeint (da sieht man, wie wichtig es auch beim Schneidern ist, sich exakt auszudrücken *g*).

      Aber - das alles ist meine private Meinung. ;-)
      Lg, Sathiya

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    2. Französische naht bei jersey hab ich auch ncoh nie gehört oder probiert:)
      aberjersey mit hand hab ich schon verarbeitet:-)
      ich mag grundsätzlich overlock nur dann einsetzen,wenn es nicht anders geht.ich fand ein mal bei einer kursteilnehmerin grauenvoll, haute couture kleid aus haute couture seidensatin in seiner besten qualität und dann mit 120 nähgarn overlockt.das geht gar nicht...
      im übrogen, ich overlocke jetzt nur mit 150-180 garn von sehr hoher qualität oder bauschgarn- weil die dann so dünn sind,dass man sie nicht mehr wahrnimmt.

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    3. Also: wenn man eine gute Overlock hat und damit umgehen kann, wenn man gutes Garn verwendet (sehr feines oder Bausch), dann spricht nichts gegen eine Overlock. Wirklich. :-)) Nähen sollte man außerdem auch noch können.
      Das kannst Du bewundernswert gut. Mein Kompliment an Dich.

      Französische Nähte bei Jersey: einfach ausprobieren.
      Es geht natürlich nicht so flott von der Hand wie eine Overlocknaht ;-) , aber die Nähte weich und bequem, das Teil trägt sich sehr angenehm. Ich hatte auch schon (teure) Kauf-Shirts mit solchen Nähten - ein Traum. Halten ewig.

      Satin aus Seide - geoverlockt? o nein... das geht ja gar nicht. :-)) Manche schrecken vor nichts zurück...

      Lg, Sathiya

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  2. ich habe im handwerk gelernt und da wurde mit der overlock versäubert. wollte ich nur mal gesagt haben.

    liebe grüße
    andrea

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    1. Ja, das ist wohl so. Ich bin ja auch nicht generell dagegen. :-)
      Ich bin gegen den Trugschluß "Overlock = professionell aussehende Nähte = gut nähen können". Aber das ist nur meine persönliche Einstellung.
      Danke für die hilfreiche Bemerkung!
      Lg, Sathiya

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