Sonntag, 26. Januar 2014

Gedanken über die Paßform

Die Paßform der aktuellen Bekleidung ist ein Thema, das mich schon länger beschäftigt. Genaugenommen denke ich jedesmal darüber nach, wenn ich einen Modeschnitt an meine Maße anpasse und mich über die Ärmel ärgere und wundere.
Als Jugendliche und Erwachsene habe ich mit Vorliebe oversized Herrenhemden getragen - da sie bequem und lässig weit waren und im Schulter- und Armbereich unglaublich viel Bewegungsfreiheit boten. Als ich begann, Damenblusen zu tragen, hatte ich von Anfang an Schwierigkeiten mit den Ärmeln: sie verboten es mir nahezu, meine Arme bequem in eine Position oberhalb des Ellenbogens zu heben. Ich fühlte mich wie gefesselt, und das fühlte sich in Damenjacken; Kostümjacken und Blazern nicht viel anders ab. Moderne Jersey-Shirts sind ebenfalls so geschnitten, daß die Arme möglichst dicht am Körper gehalten werden müssen, damit es gut aussieht, nur fällt das Unkomfortable des Schnittes wegen des stretchigen Materials nicht so auf.

Was genau ist Paßform?
Die Paßform eines Kleidungsstückes wird einerseits von der Art und Weise bestimmt, wie es den Körper umhüllt, und andererseits von der aktuellen Mode beeinflußt.
Lustige Paßform-Desaster kann man häufig bei Prominenten beobachten: Kleider und Röcke sind so eng, daß die Frauen ihre Beine kaum bewegen können und die wenigen Stufen zur Bühne kaum ohne Hilfe heraufkommen, Kostüme desgleichen, daß frau kaum allein aus der Limousine aussteigen kann, Männersakkos so eng, daß sich das Übervolumen seinen Weg nach dem Prinzip des geringsten Widerstandes sucht, aufklaffende Knopfleisten an Herrenhemden. Von aufblitzenden Gesäßen in tiefgeschnittenen Hüfthosen, wenn sich ihre Träger/innen in tiefer Hocke befinden, und übertief ansgeschnittenen Oberteilen zwei Nummern kleiner will ich gar nicht sprechen...
Es ist auch traurig zu beobachten, wie sehr das Tragen von Jeans die Beweglichkeit der Beine und Hüften einschränkt. Diese Einschränkung beginnt schon im Krabbelalter (wer einmal unvoreingenommen Kleinkinder in den ach so süüßen handelsüblichen 5Pocket-Minijeans krabbeln gesehen hat, dem muß aufgefallen sein, wie sehr diese starre enge Hose die Beweglichkeit der Beine einschränkt, das Kind nahezu fesselt), und setzt sich bis zum Erwachsenenalter fort.

Mein Problem sind allerdings nicht die Hosen, sondern die Ärmel.
Und zwar besonders die Kugelärmel, deren höchste Eleganz und Schönheit im "glatten Fall" liegt (also nach unten hängend, statisch und unbewegt in Ruheposition), wie bei klassischen Herrenjacken und neuzeitlichen figurbetonten Damenblusen, Kostümjacken und Damenmänteln.
Da liegt auch gleich mein Problem - ich lasse meine Arme nur ungern hängen. Bei mir bringt die ganze Schönheit eines Modelles im Statuenmodus nichts, ich empfinde das als unbequem. Sogar sehr. Ich kann es nicht leiden, wenn die ganze Jacke sich mitbewegt, wenn ich mir kurz die Brille auf der Nase zurechtrücke, und ich durch unangenehmen Druck ständig daran errinnert werde, eine mir in Bewegung zu enge Jacke zu tragen.
Ich bin nicht die einzige, die kritisch darüber denkt. Es gibt einige Diskussionen auf Blogs und in Foren, in welchem über die Paßform von Ärmeln diskutiert wird und versucht wird, das Problem zu beheben, ohne die Optik des Kleidungsstückes zu verändern, oder sich eben die Schwächen der Konstruktion an sich schön zu reden. Ich verstehe den Grund dieser Diskussionen, aber nicht die Beharrlichkeit. Warum über etwas diskutieren, was von sich aus nicht lösbar ist, zumindest mit den zur Verfügung stehenden Materialien nicht?

Was tun? Ich habe für mich entschieden, diesen Mangel an Bewegungsfreiheit nicht länger hinzunehmen und ändere meine Schnitte entsprechend durch Mehrweite in den Ärmeln ab. Schon ist alles superbequem und sieht auch noch gut aus.
In den 80er Jahren waren durchaus bequeme und schicke Damensachen in Mode, mit weiten Ärmeln, bequem und beweglich geschnitten, dabei durchaus auch rasant auf Figur gebracht. Das hat mir immer gut gefallen. Vielleicht bin ich zu sehr ein Kind meiner Zeit...?? ;-)

Let´s sew - Sathiya